15.12.2012 - Sicherheit

Tag X: Rückblick auf den 12. Dezember


Faszination Fankurve wirft einen Blick zurück auf die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga. Wie sieht die Vorgeschichte aus, was waren die Anträge, wie verlief der Tag und welche Folgen hat die Entscheidung für den Fußball?

Die Stimmen

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Das Vorspiel

Aufgrund vermeintlich zunehmender Gewalt und Pyrotechnik in den Stadien entstand eine kontrovers geführte Debatte über die Verbesserung der Stadionsicherheit. Während der Tenor der Liga in einem ersten Papier zunächst überwiegend Restriktionen und Ausschlüsse enthielt, wandelten sich die Anträge in einer ausführlicheren Version zu einem gemeinsamen Dialog. Kritiker zweifelten jedoch von Beginn an, dass die vermeintliche Zunahme der Gewalt überwiegend auf subjektiven Sichtweisen beruht, die faktisch aber nicht nachgewiesen werden können. Tatsächlich handelt es sich – unter zahlreichen friedlichen Fans – nur um eine Minderheit gewaltbereiter Anhänger. Durch die Anträge fühlte sich jedoch der Großteil der organisierten Fans als Gewalttäter gebrandmarkt. Neben Dialogen zwischen Fans und Vereinen, entstand unter anderem die Kampagne „12:12“, bei der die Fußballanhänger, in Anlehnung an den 12. Dezember, in den ersten 12 Minuten und 12 Sekunden schwiegen und so ihren Protest ausdrückten. Eine Verschiebung und eine „Problemlösung“ über das gemeinsame Agieren wurde jedoch abgelehnt. Auch weil neun Monate vor der Bundestagswahl insbesondere die Innenminister den Druck auf die Vereine erhöht hatten. Die Politik drohte das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, sollte es zu keiner Verabschiedung der Anträge kommen. Liga-Chef Reinhard Rauball sah sogar die Autonomie des Fußballs bedroht. „Da wird Wahlkampf auf dem Rücken des Fußballs ausgetragen“, ärgert sich 12:12-Sprecher Philipp Markhardt. Seitens der Politik wurden unter anderem ein Sicherheits-Euro, Stehplatzverbote und Einsatzbeteiligungen der Clubs zum Thema gemacht. Dass einige der als Druckmittel eingesetzten Forderungen rechtswidrig zu sein scheinen, heizte die Debatte zusätzlich an. „Entweder kennen die Innenminister die Rechtslage nicht oder missachten bewusst die Verfassung. Beides finde ich als deutscher Steuerzahler, der ja letztendlich auch das Gehalt der Innenminister bezahlt, nicht akzeptabel.“, schimpft Rechtsanwalt Marco Noli von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte.

Die Anträge

Insgesamt 16 Punkte wurden für den 12. Dezember vorbereitet.

1.: Überarbeitete und detailliertere Funktionsbeschreibung für erforderliche Veranstaltungsleiter

2.: Schriftliche Erklärung zu einem offenen, regelmäßigen und verbindlichen Dialog zwischen Vereinen und Fans.

3./4: Verbesserung der Videoüberwachung für die Polizei

5.: Einbeziehung des Ordnungsdienstes des Gastvereins in die sicherheitstechnischen Abwicklungen

6.: Überarbeitete Aufgabenbeschreibung der Sicherheitsbeauftragten

7.: Veranstaltungsleiter nimmt bei Risikospielen an den Sicherheitsbesprechungen teil

8.: Verschärfung der Kontrollen an Stadioneingängen, bei gleichzeitig zügiger und angemessener Durchführung

9.: Schulung des Ordnungsdienstes

10.: Erweitertes Aufgabengebiet des Fanbeauftragten (nimmt u. a. an Sicherheitsbesprechungen teil)

11.: Festlegungen für Spiele mit erhöhtem Risiko (u. a. verstärkte Personenkontrollen)

12.: Entwicklung eines Zertifizierungsverfahren zum Stadionerlebnis

13.: Einrichtung einer ständigen Kommission

14.: Option, das Ticketkontingent für Gästefans einzuschränken

15.: DFB-Sportgerichtsbarkeit wird weiterentwickelt

16.: Berechtigung Vermarktungsgelder (bei Verstößen gegen die Sicherheitsmaßnahmen) ggf. zweckgebunden auszuzahlen

Neben der kompletten Fassung, die von der DFL zum Download bereitgestellt wurde, hat Faszination Fankurve eine kompakte Aufstellung der wesentlichen Punkte zusammengestellt.

Der Tag X

Bereits in den frühen Morgenstunden trafen die ersten Vereinsvertreter im Sheraton Frankfurt Congress Hotel ein. Zu dem Zeitpunkt waren bereits rund 600 Fans aus dem ganzen Bundesgebiet auf dem Weg zum Hotel. „Wir wollen hier unsere Anteilnahme ausdrücken“, erklärte 12:12-Sprecher Marvin Kretzschmar. Auch zahlreiche Fans von Nicht-Bundesligisten beteiligten sich am stillen Protest.

Nach einer Schweigeminute für den verstorbenen DFB-Funktionär Manfred Amerell begann die Mitgliederversammlung um 11.34 Uhr. Eine von St. Pauli beantragte Verschiebung des Votums wurde abgeschmettert. Nur vier weitere Clubs (Hamburger SV, Werder Bremen, Union Berlin, 1. FC Köln) stimmten dem Antrag zu.

Während sich die Fans in der Kälte die Beine in den Bauch standen, verzögerte sich die angekündigte Pressekonferenz um eine Stunde, bevor DFL-Boss Reinhard Rauball bekanntgab, was vorher schon als Gerücht durch die Wände des Konferenzraumes drang:

Die Entscheidung

Alle 16 Anträge wurden mit einer deutlichen Mehrheit von über 90 Prozent abgesegnet. Nur Union Berlin und St. Pauli stellten sich gegen das neue Konzept. Der 1. FC Köln enthielt sich überwiegend und lehnte Antrag 14 ab. Der DFL-Boss versuchte zu beschwichtigen, dass die Beschlüsse nicht die Fußballkultur gefährden und das Abstimmungsergebnis kein Triumph ist. „Die Verbandsautonomie soll erhalten bleiben. Das haben wir heute durch diese Beschlüsse erreichen können“, erklärte Rauball und richtete sich – fast drohend – an die Politik: „Die Polizeikostenbeteiligung durch die Clubs muss hiermit vom Tisch sein.“ Rauball beschrieb, dass das Sicherheitskonzept denselben Stellenwert wie der Kampf gegen die 50+1-Regel habe.

Insgesamt gab es drei Änderungsanträge, die auch umgesetzt wurden. Unter Punkt 8 wurde vermerkt, dass intensive Einlasskontrollen sicher, zügig und angemessen vorgenommen werden sollen. Änderungen beim Ticketkontingent für Gästefans (Antrag 14) müssen begründet und dürfen nicht willkürlich sein, erläuterte DFL-Vize Peter Peters.

Die genaue Umsetzung der Beschlüsse muss noch mit den Vereinen abgestimmt werden. Nach einer Bestandsaufnahme soll auch ermittelt werden, wo Geld benötigt wird. Genaueres folgt erst nach der Abstimmung mit dem DFB. Dies soll unter der Voraussetzung geschehen, dass sich die öffentliche Hand nicht zurückzieht.

Mit Bekanntgabe der Verabschiedung – zahlreiche Vereinsvertreter hatten die Gelegenheit genutzt und hatten über Seiten- und Hinterausgänge das Gebäude verlassen – löste sich die Menschenmenge vor dem Hotel schnell auf. Ob der großen Enttäuschung wollte man nicht weiter in der Kälte stehen.

Die Folgen

Das Gros der Fans zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung, gab sich aber kämpferisch: „Wir sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis, werden jetzt aber nicht in eine Komplettverweigerung verfallen“, so Marvin Kretzschmar. Die Politik ist wohl erst einmal aus dem Rennen und wird sich zurückziehen, das Vertrauen der Fans gegenüber den Vereinen allerdings auch. Ziel muss sein, auf sachlicher Ebene (ohne Druck von oben) den angegangenen Dialog weiterzuführen und soweit es geht zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Da die Mehrheit der Punkte schon heute Praxis ist, wird sich für Fans nicht viel ändern. Befürchtungen von willkürlichen Änderungen im Ticketkontingent und sogenannten Nacktkontrollen bleiben jedoch.

Gerade die abgesegneten erforderliche Schulungsmaßnahmen für Ordner und Kompetenzerweiterungen für Veranstaltungsleiter sowie Fanbeauftragte sind eine gute Optimierung im laufenden Spielbetrieb, die aber fast genauso ungeachtet blieben wie das angeregte Zertifikat „Stadionerlebnis“.

Die Stimmen

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