06.03.2015 - Sicherheit

Ultrà: Kollektivstrafe oder keine Kollektivstrafe?


Wie angekündigt diskutierten Alexander Wehrle, Geschäftsführer beim 1. FC Köln und Michael Gabriel, Leiter der KOS-Fanprojekte, über die Vorfälle beim rheinischen Derby und deren Folgen. Wehrle betonte nochmals, dass es sich bei der Aussprache von lokalen Stadionverboten nicht um eine Kollektivstrafe handle.

Lediglich der Entzug des Fanclubstatus sei eine kollektive Strafe gegen die Boyz Köln gewesen. „Alles andere waren individualisierte Maßnahmen“, so Wehrle weiter. Betroffene Personen, die der Verein den Boyz Köln zurechnete könnten von der Stadionverbotskommission angehört werden: „Wir hören uns jeden Fall einzeln an“. Eine Kollektivstrafe ist laut Definition ein "Strafe, die allen zu einer bestimmten Gruppe gehörenden Personen auferlegt wird".

Fans, die der Verein den Boyz zuordnete, sind aktuell von Stadionverboten betroffen, einzig und allein, weil der Verein sie zu der Ultràgruppe zählt. Diese können nun vor der Stadionverbotskommission vorsprechen, die anschließend über eine Aussetzung des Stadionverbots beraten wird. Dies kann zum einen mehrere Wochen dauern, wie aktuelle Fälle zeigen, und zum anderen werden einige Mitglieder der Boyz dort vermutlich schlechte Karten haben.

Unabhängig davon, ob sie an den Vorfällen in Mönchengladbach beteiligt waren oder nicht, haben sie Stadionverbot erhalten, weil sie einer Gruppe angehören, die ausgeschlossen werden soll. Eine Gruppenzugehörigkeit werden wohl die wenigsten Ultras leugnen, aber genau deswegen wurden sie ausgeschlossen, weshalb eine Amnestie in den meisten Fällen unwahrscheinlich scheint. Personen wegen ihrer vermeintlichen Mitgliedschaft in einer Gruppierung auszuschließen bleibt somit eine Kollektivstrafe. Ob dies nach den Vorfällen in Mönchengladbach gerechtfertigt ist oder nicht, muss der 1. FC Köln selbst entscheiden, nur sollte man sich nicht gegen das Wort Kollektivstrafe wehren, wenn man eine solche Strafe ausspricht. Aber genau dies tat der Kölner-Geschäftsführer gestern erneut.

Eine Lösung des Problems scheint in nächster Zeit nicht absehbar zu sein. In der Stellungnahme der Boyz Köln wird deutlich, dass gemachte Fehler nicht eingestanden werden.


Rätselraten gibt es immer noch über den Sinn bzw. Unsinn des Platzsturms. Wirkliche Motive sind bis heute nicht deutlich geworden. Wehrle nannte den Platzsturm treffend „Babyplatzsturm“, da keine Masse an Fans auf den Platz stürmte, sondern circa 30 Personen. Kritisiert wurde erneut auch der Polizeieinsatz, der nur wenige Personalien der Platzstürmer feststellen konnte.

Die Sanktionen, die der 1. FC Köln gewählt hat, habe unabhängig von den Ermittlungen des DFB gewählt, so Wehrle. Die Stimmung beim Heimspiel gegen Hannover, dem die Ultràgruppen fern blieben, bezeichnete Wehrle als positiv. Von einem Zuschauer der Sendung wurde eine gegenteilige Einschätzung abgegeben.

Das zu Saisonbeginn getestete Polizeikonzept in Nordrhein-Westfalen, welches weniger Polizisten bei Nicht-Risikospielen vorsah (Faszination Fankurve berichtete), wurde von allen Seiten gelobbt.

In der gestrigen Tele5 Sendung ging es anschließend mit den Vorfällen beim Revierderby am vergangenen Samstag weiter. Michael Gabriel von der KOS widersprach hier den Angaben, dass Ultras aus Gelsenkirchen versuchten den Gästeblock zu stürmen. Vielmehr seien zahlreiche Ultras über eine Stunde von der Polizei eingekesselt gewesen. Deshalb erreichte man das Stadion erst kurz vor Anpfiff, weshalb es im Eiltempo in Richtung Gästeblock ging. So berichtete es eine Gelsenkirchener Kollegin dem KOS-Leiter.

Weiter wurde über die Beteiligung der Bundesligavereine an den Polizeikosten debattiert und ein Polizeigewerkschafter telefonisch hinzu geschaltet. Die Argumente in diesem Punkt sind eigentlich schon seit mehreren Monaten ausgetauscht. Gerichte werden wohl über den Präzedenzfall in Bremen entscheiden müssen.

Gabriel betonte in der Diskussion: „Sicherheit darf nicht käuflich werden“. Wehrle betonte welch hohe Summen der Profifußball schon an Steuern bezahle. Außerdem investiere der 1. FC Köln rund eine Millionen Euro pro Jahr in den privaten Sicherheitsdienst.

Am Rande der Diskussion wurde noch ein Fall aus de Jahr 2012 aufgelöst: Neue Erkenntnisse im Fall Pezzoni, ein ehemaliger Spieler des 1. FC Köln, der 2012 von Kölner-Fans angegangen worden sein soll und deshalb seinen Vertrag auflöste (Faszination Fankurve berichtete), kamen an die Öffentlichkeit. Wehrle stellte nun klar, dass der Übergriff aus dem privaten Umfeld des ehemaligen Spielers kam. Dies stünde so in der Polizeiakte. Deshalb sei der Fall kein Beispiel für negatives Verhalten der Fans des 1. FC Köln. (Faszination Fankurve, 06.03.2015)

Hier gibt es die Sendung Ultrà - Aus Liebe zum Fußball:
Teil 1
Teil 2
Teil 3






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