29.03.2017 - Sicherheit

Video: Bundestagsdebatte über Datei Gewalttäter Sport


Im Bundestag wurde am Freitag u.a. über die bundesweite Datei „Gewalttäter Sport“ debattiert. Die Grünen forderten die Bundesregierung u.a. auf, die Stigmatisierung von Fußballfans aufzuheben und die Datei auf Fälle zu überprüfen, in denen Fans zu unrecht in dieser landeten.


„Für eine weltoffene und vielfältige Sport- und Fankultur – Bürgerrechte schützen, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit effektiv bekämpfen, rechte Netzwerke aufdecken“, lautete der Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen, über den am Freitag im Bundestag hitzig diskutiert wurde.

Laut dem Antrag sollten Personen, die nachweislich keine Straftaten begangen haben, aus der bundesweiten Datei gelöscht und Personen, die in der Datei geführt werden, informiert werden. Der Antrag der Grünen wurde mit Stimmen von CDU/CSU und SPD abgelehnt. Faszination Fankurve fasst die wichtigsten Zitate der Debatte zusammen. Zudem zeigen wir die gesamte Bundestagsdebatte im Video:

Frank Steffel (CDU/CSU):
"Zweitens: Sie formulieren – ich lese das einmal wörtlich vor Ultras in den Fankurven sind für eine bunte und lautstarke Fankultur verantwortlich und sind hingebungsvolle junge Menschen, die nicht selten laut stark für Toleranz und Vielfalt einstehen. Meine Damen und Herren, die Bilder, die ich von Ultras in den Fußballstadien habe, sind vielfach andere. Ich verstehe nicht, wie das zu der Überschrift Ihres Antrags passt. Das ist die Datei, in der Schwerstkriminelle aufgeführt sind, die in den Stadien Kinder und Jugendliche, friedliche Fans gefährden, die Pyro abschießen, die mit Gegenständen werfen und die unsere Polizeibeamten vor den Stadien und in den Stadien und auch die Sicherheitskräfte verprügeln. Und Sie wollen diese Datei abschaffen? Sie forderten auch jüngst im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag hier in Berlin die Abschaffung der Datei, also nicht nur die schärfere Kontrolle, sondern die Abschaffung, und äußern ein schlimmes Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden; denn Sie erwecken den Eindruck, unsere Sicherheitsbehörden verfolgten Ultras. Meine Damen und Herren, anders wird ein Schuh draus: Die Ultras gefährden in den Stadien friedliebende Fans und sportbegeisterte Familien. Sie nennen Zahlen zu gewaltbereiten Personen und unterstellen, dass es hier einen Anstieg gebe. Die Zahlen in Ihrem eigenen Antrag sprechen eine andere Sprache Sowohl bei den gewaltbereiten Personen als auch bei den gewaltsuchenden Personen war in den letzten vier Jahren ein Rücklauf von 15 Prozent zu verzeichnen: bei den gewaltbereiten Personen von 4570 auf 3900, bei den gewaltsuchenden Personen von 1700 auf 1500. Ich sage nicht, dass damit alles gut ist. Ich sage aber ausdrücklich: Die Arbeit von Vereinen, die Arbeit von Fanprojekten, die Arbeit von Kommunalpolitikern und Landespolitikern und die Arbeit der Bundesregierung trägt hier Früchte. Die Zahl der gewaltbereiten Fans ist in den letzten Jahren Gott sei Dank zurückgegangen."

Andre Hahn (Die Linke):
"Das Phänomen, über das wir heute reden, gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch bei unseren europäischen Nachbarn. Wir brauchen also nicht nur den berühmten Blick über den Tellerrand, sondern auch international abgestimmte Strategien. Hier meine ich nicht nur grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden, sondern eben auch die Förderung der Zusammenarbeit von Faninitiativen. Der Antrag der Grünen ist sinnvoll. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man ihn ablehnen kann. Auch die vor Jahresfrist angekündigte Debatte im Sportausschuss, um eine klare Aussage der Bundesregierung zu Löschungen in der Datei 'Gewalttäter Sport' zu erhalten-es geht nicht um deren Abschaffung, sondern um Löschungen, ist letztlich ziemlich unbefriedigend ausgefallen. In der Beschlussempfehlung jedenfalls gehen Union und SPD mit keinem Wort mehr auf notwendige Änderungen bei den Regelungen für die Speicherung ein. Dabei wissen auch die Koalitionäre ganz genau, dass die Bestimmungen, wer in dieser Datei gespeichert werden kann, alles andere als konkret sind. Immer wieder kommt es zu völlig anlasslosen Speicherungen Insofern muss dort etwas getan werden."

Monika Lazar (Bündnis 90 / Die Grünen):
"Problematisch ist auch, wenn der Staat Fußballfans quasi unter Generalverdacht stellt. Genau das macht er bisweilen. In 12 von 16 Bundesländern führen szenekundige Beamte intransparente Datenbanken über Fußballfans, die teilweise lange geheimgehalten wurden. Zu den lokalen Datensammlungen kommt auch noch die bundesweite Datei 'Gewalttäter Sport'. Schon alleine der Name ist irreführend. Man kann da sehr schnell hineinkommen, zum Beispiel schon dann, wenn nur die Personalien festgestellt werden. Ich rate jedem, sich einmal zu Gemüte zu führen, was dort gespeichert ist. Von der Schuhgröße bis zum Dialekt ist quasi alles möglich. Die Daten von Personen, deren Ermittlungsverfahren man eingestellt hat, werden nicht automatisch gelöscht. Wie eine Kleine Anfrage von uns zur Datei 'Gewalttäter Sport' ergeben hat, soll die Datei sogar noch weiter aufgebläht werden. Wir sagen: Statt die Datei noch weiter aufzublähen, sollte man lieber die Löschfrist verkürzen und vor allem eine Benachrichtigungspflicht einführen. Außerdem hätte eine Benachrichtigung auch eine pädagogische Wirkung. Wenn ich merke, dass ich gespeichert bin, dann kann ich vielleicht auch mein Verhalten entsprechend ändern und in Zukunft ein braver Fußballfan werden. Wir sagen nicht, dass wir die Datei 'Gewalttäter Sport' komplett abschaffen wollen; denn gewalttätige Hooligans können durchaus gespeichert werden, und die Polizei muss vor Fußballspielen natürlich wissen, welche Fanklientel sich dort bewegt. Wir wollen die Datei allerdings reformieren und auf eine rechtsstaatliche Grundlage stellen. Für uns Grüne ist nämlich klar: Fußballfans geben ihre Bürgerrechte nicht am Stadiontor ab. Statt auf Repression und Datensammelwut setzen wir auf Prävention. Auch deshalb wollen wir die Fußball-Fanprojekte noch stärker unterstützen. Wir alle wissen: Schon jetzt leisten viele Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen in allen Bundesländern wertvolle präventive Arbeit, besonders mit jungen Fußballfans. Das wollen wir weiter ausbauen. Auch aus den Fußball-Fanszenen kommen viele positive Initiativen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie. Viele Fangruppen machen Angebote für Geflüchtete. Das ist von anderen Rednerinnen und Rednern ja auch schon erwähnt worden. Deshalb sagen wir, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, die bisherigen verschiedenen Fördermöglichkeiten der unterschiedlichen Ministerien zusammenzuführen und ein einheitliches Förderprogramm gegen Rechtsextremismus im Sport aufzulegen."

Johannes Steiniger (CDU/CSU):
"Stattdessen schießen Sie sich auf die Datei 'Gewalttäter Sport“'ein. Aber gerade diese Datei ist ein wichtiges Hilfsmittel für die Polizei. Sie versetzt die Beamten in die Lage, zu einem sicheren Verlauf von Sportveranstaltungen beizutragen, weil sie die Täter zu Beginn zielsicher identifizieren können. Die Datei hilft aus den genannten Gründen sowohl bei der Prävention als auch bei der Aufklärung. Sie ist dabei auch ein gutes Beispiel dafür, wie der Bund und die Länder zusammenarbeiten. Das ist bei Sicherheitsbehörden nicht immer so. Hier passt das gut. Sie schreiben weiterhin, die Daten sollen nicht an die Vereine weitergegeben werden. Auch das sehen wir nicht so. Die Vereine sollen schon wissen, welche Chaoten und Kriminelle im Zweifel versuchen, in ihre Stadien zu kommen. Mit Pädagogik kann man diejenigen, die in Dortmund bei dem Spiel Steine geworfen haben, nicht zur Vernunft bringen. Deswegen sind die meisten Punkte, die Sie zum Thema der Datei 'Gewalttäter Sport' schreiben, absoluter Quatsch."

Jeannine Pflugradt (SPD):
"Einigen Punkten dieses Antrags stimme ich zu im Sinne von mehr Transparenz und Datenschutz. Ja, Problemstandorte müssen klar benannt werden, um rechte Netzwerke schwerpunktmäßig zu bekämpfen. Auch ist die Datei 'Gewalttäter Sport' hinsichtlich des Datenschutzes kritisch zu sehen. Jeder in die Datei Aufgenommene muss darüber unterrichtet werden und sollte sich auch dazu äußern dürfen."

Matthias Schmidt (SPD):
"Die Fankultur in Deutschland ist unglaublich vielfältig. Das macht den Sport aus. Darin liegt auch die Schwäche des Antrags der Grünen, nämlich indem Sie schreiben: Wir müssen eine einheitliche Grundlage schaffen. Wir brauchen ein einheitliches Programm. Wir brauchen sogar eine Stabsstelle, die entsprechende Informationen noch einmal gesondert ausweist. Das alles ist kontraproduktiv. Wir brauchen die vielen unterschiedlichen Programme zur Unterstützung unseres schönen Sports, nicht nur am Wochenende, sondern auch sonst. Wir wollen schönen Sport sehen, und dazu gehören Fans. Dazu gehört Leidenschaft, und dazu gehört auch Gewinnen und Verlieren." (Faszination Fankurve, 29.03.2017)






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