02.03.2016 - DFL

Doch weniger TV-Gelder für Investorenvereine?


Am Montag war Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Geschäftsführer und aktuell Geschäftsführer beim FC St. Pauli bei Fans von Hannover 96 zu Gast. Dort soll Rettig erklärt haben, dass der St. Pauli Antrag, der weniger TV-Gelder für Investorenvereine fordert, erneut bei der DFL eingebracht werden soll.

Der Antrag soll Ende 2015 vom FC St. Pauli nur wegen der damaligen Ausschreibungen für die TV-Vermarktung zurückgezogen worden sein und werde wohl erneut forciert. Rettig soll von einem immensen Wettbewerbsvorteil für Clubs gesprochen haben, die Ausnahmegenehmigungen von der 50+1 Regel in Anspruch genommen haben. (Faszination Fankurve, 02.03.2016)

Faszination Fankurve dokumentiert den Rückblick der Hannover 96 Fans auf die Veranstaltung:

Am 29.02. lud die Interessengemeinschaft ProVerein 1896 gemeinsam mit der IG Rote Kurve, dem FUV 96 e.V. und dem Fanbeirat zur Informationsveranstaltung „ Möglichkeiten der Mitbe-stimmung in modernen Breitensportvereinen mit angegliederten Profifußballgesellschaften“. Der Einladung folgten über 200 Personen, darunter viele Fans und Vereinsmitglieder aber auch Ak-tive aus den Sparten von Hannover 96, Vereinsoffizielle und einer der Gesellschafter. Die Or-ganisatoren zeigten sich mehr als zufrieden mit der großen Resonanz.

Zu Beginn der Veranstaltung hörten die Gäste einen Beitrag von Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Geschäftsführer und aktuell Geschäftsführer beim FC St. Pauli. Rettig sprach sich für Teil-nahme, Teilhabe und Wettbewerbsintegrität als elementare Werte des Fußballs aus. Die Aus-nahmeregelungen von der 50+1-Regel hätten den entsprechenden Clubs einen immensen Wettbewerbsvorteil verschafft, den es auszugleichen gelte, um die Integrität des Wettkampfs wiederherzustellen. Zudem sprach sich Rettig dafür aus, in grundlegenden Fragen stets das Votum der Mitglieder einzuholen. Fußball sei eben mehr als ein Wirtschaftsunternehmen und schaffe Zusammenhalt in der Gesellschaft. Teilhabe und Identifikation durch Ehrenamt seien wichtig. Er erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass auch das Schiedsgericht seinerzeit betont habe, die historischen, kulturellen und sozialen Wurzeln des Vereinssports müssten beim Eintritt von Kapitalgesellschaften weiter gepflegt werden. Dann ging er auf den „St Pauli-Antrag“ ein und erläuterte diesen. Der Antrag sei nur aufgrund der damaligen Ausschreibungen für die Vermarktung zurückgestellt worden und werde erneut forciert.

Ralf Nestler von der IG ProVerein 1896 lenkte in seinem Beitrag das Augenmerk auf die Ver-hältnisse beim Hannoverschen Sportverein von 1896. Einleitend nahm er Bezug auf die Mitglie-derversammlung die 1999 mit 83% für die Ausgliederung der Profifußballsparte gestimmt hatte und die Voraussetzungen dieser Zustimmung. Durch die Initiatoren der Ausgliederung habe es damals geheißen, dass der Mutterverein zu 65% an der Stadiongesellschaft und zu 50% an der Kapitalgesellschaft des Spielbetriebs KGaA beteiligt bleiben solle. Zudem habe man geplant zur Beteiligung der Fans sogenannte Fanaktien auszugeben. Keiner dieser Punkte, mit denen man damals für die Ausgliederung geworben habe, sei – stand jetzt – eingehalten worden. Weiter führte Nestler aus, dass nun in Hannover geplant sei, ähnlich wie in der Vergangenheit bereits in Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim geschehen, die Profifußballgesellschaft vollständig vom Mutterverein zu lösen. Derzeit besitzt der Mutterverein über die Management GmbH, wel-che die Geschäftsführung der KGaA regelt, zur Wahrung der 50+1-Regel noch Einfluss auf den Profifußball. Mit Ablauf von 20 Jahren erheblicher und kontinuierlicher Förderung durch Investo-ren könnte diese Verbindung aber gelöst werden und die Profifußballgesellschaft komplett in Investorenhand übergehen. Der Mutterverein, dessen Aufsichtsrat und die Mitgliederversamm-lung verlieren damit den letzten Einfluss. Am Beispiel Hannover 96 wurde Kritik an einzelnen Regelungen des DFL-Papiers aus Dezember 2014 zur Übernahme geäußert. So enthalte das Papier bislang noch keine klare Regelung zum unbedingten Erfordernis eines aktuellen zu-stimmenden Beschlusses der Mitgliederversammlung zu dieser einschneidenden bzw. funda-mentalen Änderung, der der DFL mit den Antragsunterlagen vorzulegen sei. Unklar sei auch, wie die erhebliche und kontinuierliche Förderung zu definieren sei und ob diese Bedingungen über den relevanten Zeitraum von 20 Jahren in Hannover überhaupt bestanden haben. Nestler kam zu dem Schluss, dass es aufgrund der fehlenden Rechtsverbindlichkeit und des erhebli-chen Interpretationsspielraums auch für den Gesellschafterkreis am sichersten sei, die 50+1-Regel in Hannover zu bewahren und gemeinsam mit den Mitgliedern eine Struktur zu schaffen, die die Verbindung von Profifußball und Breitensport bei Hannover 96 nicht nur ideell sondern auch faktisch im Rahmen von 50+1 gewährleistet. Dies widerspreche den berechtigten Interes-sen der Investoren keineswegs und könne einvernehmlich zu beiderseitigem Vorteil (Imagege-winn, Zukunfts- und Planungssicherheit für Investoren, Stärkung des Breitensports) gelöst werden. Aus Sicht von Pro Verein könnte diese Lösung ohne eine komplette Investorenübernahme auskommen, z.B. durch einen Geschäftsführerbeirat und weiteren Regelungen im Grundlagen-vertrag.

Valentin Schmidt, Aufsichtsratsvorsitzender von Hannover 96, zeigte sich zufrieden mit der Entwicklung des Hannoverschen Sportvereins im letzten Jahrzehnt. Sowohl die Mitglieder- als auch die sportliche Entwicklung seien positiv. Zudem sei man finanziell stabilisiert. Einen Ver-dienst den er der Gruppe der „Fangesellschafter“, wie er den Gesellschafterkreis bei Hannover 96 nannte, zuschrieb. Weiter warb Schmidt dafür, Hannover 96 als Mitglied beizutreten und sich als aktiver Sportler, im Ehrenamt oder über eine Beteiligung an der Mitgliederversammlung an der Fortentwicklung des Vereins zu beteiligen.

Im Anschluss an die Vorträge kam es zu einer sachlichen Diskussion, in deren Verlauf auch weitere Vereinsoffizielle für einen Eintritt in den Verein warben, aber sich auch für den Erhalt von 50+1 aussprachen. So sei auf der anstehenden Jahreshauptversammlung am 26.04. im HCC nicht nur über diverse Satzungsänderungen abzustimmen, sondern turnusgemäß stehe auch die Wahl zum Aufsichtsrat an. Dieses höchste durch die Mitgliederversammlung gewählte Gremium beim Hannoverschen Sportverein bestimmt u.a. über die Besetzung des Vorstands-vorsitzenden. Stimmberechtigt bei der Mitgliederversammlung seien alle aktiven und passiven Vollmitglieder, nicht jedoch Fördermitglieder.

Dr. Andreas Hüttl, der den Abend moderiert hatte, schloss die Veranstaltung mit dem kurzen Resümee, dass das Verhältnis zwischen Club, Fans und Mitgliedern nach unruhigen Zeiten in den Vorjahren zuletzt auf dem Weg der Besserung war. Alle Beteiligten waren sich einig, dass dieser Weg fortgeführt werden solle.






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