20.12.2006 - DFL

„Ich mache kein Ticket- und Beschwerdemanagement!“


Achtzehn Jahre war Thomas Schneider beim Fan-Projekt Hamburg und der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) der Deutschen-Sport-Jugend tätig. Seit August dieses Jahres ist der 47-jährige Diplom-Pädagoge hauptamtlicher Fanbeauftragter der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Faszination Fankurve: Herr Schneider, warum hat die DFL einen Fanbeauftragten angestellt?

Schneider: Das ist relativ einfach: Die DFL suchte einen Fanbeauftragten, um die Kommunikation mit den Fans zu verbessern. Aus Sicht der DFL sind Fans ein wichtiger, unverzichtbarer Bestandteil des Fußballs, weil professioneller Fußball, den die DFL in Deutschland vertritt, Zuschauersport ist: Profifußball ohne Fans ist nicht vorstellbar. Einen Fanbeauftragten zu installieren ist demnach eine folgerichtige Entscheidung.

Faszination Fankurve: Was gab den Ausschlag, das Angebot der DFL anzunehmen und die KOS zu verlassen?

Schneider: Ich denke hier besteht die Möglichkeit etwas aufzubauen, das vorher nicht da war. Unter Wahrung der bisher bestehenden drei Säulen – Fanprojekte, Fanbeauftragte, unabhängige Fanorganisationen – können Netzwerke professionalisiert werden.

Faszination Fankurve: Gab es aus der Szene Kritik an Ihrer Entscheidung, den Job bei der in Fankreisen zum Teil ungeliebten DFL anzunehmen?

Schneider: Nein, direkt angesprochen hat mich keiner, und gehört habe ich auch nichts.

Faszination Fankurve: Warum ist ein solcher Posten erst jetzt entstanden?

Schneider: Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass die Profiliga noch sehr jung ist. Die DFL muss sich nach und nach erst finden bzw. erfinden.

Faszination Fankurve: Fast zeitgleich hat der DFB eine ähnliche Stelle geschaffen: Gibt es eine Zusammenarbeit, wo liegen die Unterschiede?

Schneider: Das ist eine Frage, die der DFB beantworten müsste. Mit Gerald von Gorissen, der früher bei Preußen Münster tätig war, arbeite ich sehr harmonisch zusammen. Allerdings, das muss man dazu sagen, gibt es in unseren Tätigkeitsbereichen nur eine kleine Schnittmenge. Ich bin für die 1. und 2. Liga zuständig. Er betreut die Ligen darunter sowie den Anhang der Nationalmannschaft. In einigen Bereichen haben wir dennoch miteinander zu tun: Wir sitzen beide in der Task Force gegen Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Faszination Fankurve: Was können sich Fans von ihrem Posten versprechen? Können sich normale Fans mit alltäglichen Problemen und Fragen an Sie wenden?

Schneider: Ich mache kein Ticket- und Beschwerdemanagement. Bei lauwarmer Stadionbratwurst bin ich der falsche Ansprechpartner. Neulich bekam ich ein Schreiben, indem jemand die Idee der Roten Karte für den Rassismus für sich beanspruchte. Solche Dinge gilt es zu klären.

Faszination Fankurve: Werden Sie auch bei Stadionverboten vermitteln? Gerade bei Verboten seitens des Auswärtsvereins ist die Situation für Fans oftmals schwierig.

Schneider: Stadionverbote fallen nicht in meinen Tätigkeitsbereich. Bei der Vielzahl wäre ich schlichtweg überfordert. Was nicht heißt. dass ich mich damit nicht auch beschäftige, aber direkt vor Ort können die Systeme wirksamer greifen. Es ist wesentlich, dass diejenigen, die sich vor Ort und direkt damit befassen, ihre Aufgaben ernst nehmen und qualifizierte Arbeit machen. Dabei kann ich auch weiterqualifizieren und gegebenenfalls vermitteln.

Faszination Fankurve: Sehen Sie sich als Vermittler zwischen Welten, die nichts gemein haben?

Schneider: Ich würde behaupten, die Lebenswelten von Fans und Fußballverantwortlichen haben wenig direkten Bezug zueinander, aber: Verbinden tut sie die Leidenschaft für den Fußball! Wenn man sich ein Stadion am Wochenende anschaut, 50.000 unterschiedliche Menschen, geeint in Anfeuerung, Trauer, Lust, Enttäuschung – und für einen Teil dann der Urknall an Emotionen beim Tor. Wo gibt es so viel Verbindendes sonst noch in unserer Gesellschaft?

Faszination Fankurve: Gab es schon Treffen mit Szenevertretern, oder ist das angedacht?

Schneider: So etwas ist selbstverständlich in Planung. Beim Thema Rassismus beispielsweise wäre es fahrlässig auf das „Know how aus der Kurve“ zu verzichten. Gruppen wie etwa B.A.F.F. wissen, was in den Blöcken und auch auf der An- und Abreise geschieht.

Faszination Fankurve: Als Leiter der KOS haben Sie sich mit dem Thema Fans beruflich derart intensiv beschäftigt, wie es nur wenige andere getan haben. Wie sehen Sie die aktuelle deutsche Fanlandschaft im Vergleich zu früher?

Schneider: Die deutsche Fanlandschaft ist bunter, kreativer auch konstruktiver geworden. Der Mainstream der Stadiongänger ist im Vergleich zu früher ziviler. Innerhalb der Blöcke geht es sozialer zu, das Bildungsniveau ist gestiegen. Kurz: Die typischen "Fußballprolls" der 80er Jahre, unter denen das Recht des Stärkeren vorherrschte, sind nicht mehr in Masse vorhanden oder so attraktiv wie die jungen und fantasievollen Fangruppen.






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