12.12.2012 - DFL

Kommt das Stadionzertifikat?


Auf ihrer Mitgliederversammlung möchte die DFL gemeinsam mit Vertretern der 36 Bundesligisten insgesamt 16 Anträge verabschieden. Faszination Fankurve hat sich einen der weniger strittigen, aber ebenso interessanten Punkte etwas genauer angeschaut.

Dem Anliegen der DFL mit der Antragsnummer 12 fehlt es im Vergleich zu anderen Punkten zwar an Brisanz, die Entwicklung und Umsetzung eines Zertifizierungsverfahrens im Bereich „Stadion und Sicherheitsmanagement“ birgt aber einen interessanten, weil schwierigen Ansatz.

In ihrem Antrag regt die DFL an unter anderem gemeinsam mit dem DFB, den Clubs sowie unabhängigen Sachverständigen eine Zertifizierung zu erstellen, die die Abläufe in den Stadien bewertet und beispielsweise über ein Sternesystem kategorisiert. Nicht unterwähnt soll bleiben, dass ein tiefer klassifiziertes Stadion nicht weniger sicher ist, als besser bewertete Sportstätten, im Vordergrund soll der Punkt „Stadionerlebnis“ stehen. Damit scheint die DFL absolutes Neuland zu begehen: „Ein allgemeines Sicherheitszertifikat, das für den kompletten Spielbetrieb gilt, ist mir in der Form in keiner anderen Liga bekannt“, erklärt Olaf Jastrob, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Jastrob.

Wie könnte eine Zertifizierung aussehen?
Die DFL teilt mit: „Erst nach erfolgter Erarbeitung möglicher Zertifizierungskriterien wird der Vorstand eine Entscheidung über das weitere Verfahren treffen.“ Ein Schwerpunkt wird wahrscheinlich auf den Oberbegriffen „Bewachung“ und „Ordnungskräfte“ liegen. Die DFL spricht unter anderem von einer „zügigen Abwicklung der Einlasskontrollen und Anzahl der Ordner“. Als weitere Beispiele werden „gemeinsame Projekte von Fans und Club, Aufenthaltsbedingungen im Stadion für Gästefans oder das Fanverhalten“.

Schnell wird jedoch klar: Eine simple standardisierte Lösung wird es jedoch nicht geben können. Neben einigen oberflächlichen Faktoren, die auf alle Stadien angewandt werden können, gibt es zahlreiche detaillierte Aspekte, die individuell analysiert werden müssen. „Eine Basis kann durchaus geschaffen werden, viele Details und Unterpunkte machen letztendlich aber den Unterschied“, weiß der Sicherheitsdienstleister.

Dazu gehören unter anderem verschiedene Wirkungsketten mit Indikatoren, die sich auf die unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort beziehen, wie etwa die unterschiedlichen Spiele, bei denen die verschiedensten Fanverbände angetroffen werden.

Mögliche Ansätze für ein Zertifikat gibt es dennoch: „Es wäre möglich einen Standard für eine allgemeine Gefährdungsanalyse festzulegen. Wer die Kriterien erreicht, erhält drei Sterne. Zusätzlich zu den definierten Vorgaben können individuelle Ergänzungen, die von Stadion zu Stadion unterschiedlich sind, mit bis zu fünf Sternen bewertet werden“, schlägt Jastrob vor. Der Standard könnte Entscheidungsfragen vorsehen, wie „Werden auf den Evakuierungs- und Panikfall geschulte Ordner eingesetzt?“. In der Praxis, so bewertet Jastrob, reicht die Spannweite derzeit von fünf bis zwei Sternen (übertragen auf das Schulnotensystem: sehr gut bis ausreichend). Die Erfüllung aller Kriterien könnte, so die Idee der DFL, „mit finanziellen Anreizen verbunden sein“. Negative Vorfälle könnten dagegen durch regelmäßige Vergabeverfahren zu Abzügen führen.

Olaf Jastrob empfiehlt, sich auf die Punkte Technik, Bau und Sachmittel sowie die organisatorischen Abläufe und Personal zu konzentrieren.

Die Schwierigkeit liegt für die DFL darin, mit dem Zertifikat den schmalen Grat zu bewältigen, das größtmögliche Stadionerlebnis, bei einem noch zu tolerierenden Risiko zu ermöglichen. Grundsätzlich sind Vorschriften bei Bau und Betrieb einzuhalten. Insbesondere in der Versammlungsstättenverordnung, die sogenannte Bibel für Veranstaltungsstätten, wird der Betrieb geregelt. Es kann aber sein, dass Betreiber Spielräume nutzen und Choreografien erlauben, die das Erlebnis verbessern, aber sicherheitstechnisch gesehen Lücken aufweisen. Wenn etwa 30.000 Fans DIN A4 Blätter hochhalten und dadurch eine Choreo bilden, wurden eine eigentlich verbotene, weil brennbare Deko erlaubt.

Im Bereich Organisation gibt es oft Knackpunkte zwischen der Organisation und der Delegation der Verantwortlichen. "Laut den Vorgaben des DFB muss der Veranstaltungsleiter eine Stunde vor dem Beginn der Veranstaltung vor Ort sein. Die Versammlungsstättenverordnung fordert, dass der Leiter während des kompletten Betriebs verfügbar ist", erklärt Jastrob. Die Anwesenheitspflicht eines geschulten Leiters (und Stellvertreter), der für die Einhaltung der Vorschriften im Einsatz ist, stellt ein wesentliches Kriterium. Das Zertifikat sollte daher genaue Anforderungen an die Qualität der Leitung sowie detaillierte Anwesenheitspflichten stellen.

Ein wesentliches Thema ist das weitere Personal. Im Bereich Überwachung müssen genaue Anforderungen gestellt werden. Die zu fordernde Qualität des Ordnungsdienstes ist abhängig von der Tätigkeit (zum Beispiel auf dem Parkplatz oder Körperkontrollen). Vereine sollten nachweisen müssen, dass unter anderem auf Konflikte geschulte Mitarbeiter eingesetzt werden. „Ein Ansatz könnte auch sein, dass Fanvertreter Teil der Ordner-Schulungen sind, um durch eine Wissensvermittlung ein größeres Verständnis für die Arbeit der Ordner zu erreichen“, schlägt Jastrob vor.

Auch wenn es um schnelle und gründliche Kontrollen geht, ist die Qualität der Ordner das entscheidende Kriterium. Dass eine bestimmte Anzahl von Besuchern innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums durch die Kontrollen gelotst werden, darf dagegen nicht entscheidend sein. In einem Stadion mit 32.000 Sitzplätzen, vielen Stammkartenhaltern und einem geringen Aggressionspotenzial sind die Kontrollen nicht so zeitaufwendig, als bei umgekehrten Vorzeichen. Die positive Bewertung durch den Einsatz von Stammpersonal, das zusätzlich einen angemessenen Mindestlohn erhält, kann ein weiteres Kriterium sein.

Eine goldene Regel (wie von der DFL angedacht), wie viele Ordner pro Zuschauer anwesend sein sollten, gibt es nicht. Die erforderliche Anzahl ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Die Ergebnisse der Risikoanalysen sind von Spiel zu Spiel unterschiedlich. Die Klassifizierung der anreisenden Fans, die Größe des Stadions, aber auch die Zuwege und Verkehrsflächen sind nur einige Kriterien, die darüber entscheiden, ob letztendlich 100 oder 1.000 Ordner notwendig sind.

Weitere Pluspunkte könnten Vereine sammeln, wenn Sie Kriterien rund um die Zusammenarbeit mit den Fans erfüllen. Unter anderem verschiedene gemeinsame Fanprojekte könnten ausschlaggebend sein. Wobei auch hier Qualität statt Quantität im Vordergrund stehen sollte.
(Faszination Fankurve, 12.12.2012)






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