06.03.2020 - Polizei

Polizei will polizeikritische Aussagen im Stadion verbieten


Aktuell wird deutschlandweit über Meinungsfreiheit in deutschen Fankurven debattiert, wo die Grenzen liegen und welche Äußerungen unter die freie Meinungsäußerung fallen. Mitten in dieser Debatte fordert die Polizei in Pforzheim nun, dass auch polizeikritische Botschaften, die komplett ohne Beleidigung auskommen, verboten werden sollten.

Eine neue Stadionordnung für das Stadion im Brötzinger Tal, in dem der Oberligist 1. CfR Pforzheim seine Heimspiele austrägt, sieht nun vor, dass „rassistisches, fremdenfeindliches, extremistisches, rechts- bzw. linksradikales und diskriminierendes Propagandamaterial“ verboten ist.


Im Vorfeld der Verabschiedung der neuen Stadionordnung ging es in Pforzheim in den vergangenen Tagen vor allem darum, was unter „linksradikal“ zu verstehen sei. Gegenüber dem Pforzheimer Kurier erklärte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Pforzheim, was man bei der örtlichen Polizei unter „linksradikalen“ Botschaften versteht, die verboten werden sollten: Nämlich „Kritik an der Polizei“ und „Kritik an polizeilicher Überwachung“. Als konkrete Beispiele für Botschaften die in Pforzheim in den Augen der Polizei in Zukunft für Heim- und Gästefans in Pforzheim verboten werden sollten, zählen demnach u.a. „Willkür nimmt freien Lauf“ oder „Gemeinsam gegen Polizeigesetze“, also Statements, die Kritik an der Polizei üben, diese Institution aber in keiner Weise beleidigen.

Die Stadt Pforzheim verwies gegenüber der Zeitung auf die Aussagen der Polizei und ergänzte, dass Änderungen an der Stadionordnung wegen des „Vormarschs der Ultras“ notwendig seien. Dabei regelt der Gesetzgeber in Deutschland bereits, welche Vorgänge strafbar sind und welche nicht. Diese Gesetze lassen sich auch bei Regelübertretungen in Stadien anwenden. Das Beispiel Pforzheim zeigt, wie in den deutschen Stadien teilweise versucht wird, die Meinungsfreiheit aktiver Fans zu beschneiden. In der 1. Bundesliga und der 3. Liga wurden am vergangenen Wochenende Spiele unterbrochen, obwohl auf den gezeigten Plakaten keine Beleidigungen zu sehen waren, wofür sich DFB-Präsident Fritz Keller bereits entschuldigte (Faszination Fankurve berichtete). In Augsburg hatten Borussia Mönchengladbach-Fans letzte Woche Probleme eine Fahne mit durchgestrichenem DFB-Logo mit den in den Gästeblock zu bekommen, wie die Fanhilfe Mönchengladbach beklagte. Der Fanszenen Deutschland-Zusammenschluss warf dem DFB heute vor, dass es dem Verband in der aktuellen Debatte um „schlichte Zensur“ gehe (Faszination Fankurve berichtete). In Pforzheim betont man nun, dass man sich an der Muster-Stadionordnung des DFB orientiert habe und erkennt nicht, wie man dabei über das Ziel hinausschießt.


Nachdem in Baden-Württemberg in dieser Woche mit dem SSV Reutlingen bereits eine Fanszene mit einem Geisterspiel bestraft wurde, obwohl Gästefans in Reutlingen eine Pyroshow durchführten (Faszination Fankurve berichtete), kommen von der Polizei des gleichen Bundeslandes nun Forderungen, die die Meinungsfreiheit im Stadion in Pforzheim massiv beschränken würden. Diese Forderungen der Polizei können durchaus als undemokratisch bezeichnet werden.

Laut des Berichts des Pforzheimer Kuriers erklärte ein Lokalpolitiker der CDU, dass Kritik am DFB seiner Meinung nach nicht ins Stadion gehöre. Dort wolle er „nur Sport erleben“. Ein Politiker der Freien Wähler äußerte die Meinung, dass Kommerzkritik nicht ins Stadion gehöre. Ein SPD-Politiker warnte jedoch davor, die Meinungsfreiheit so einzuschränken, „dass wir uns in Moskau wiederfinden.“

Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits 2016, dass die Kollektivbeleidigung „ACAB“ (All Cops Are Bastards) nicht ohne weiteres strafbar ist und von der freien Meinungsäußerung gedeckt ist, falls sich die Beleidigung nicht auf eine überschaubare und abgegrenzte Gruppe bezieht. In Pforzheim will man nicht nur solche Botschaften verbieten, sondern Kritik an der Polizei generell. (Faszination Fankurve, 06.03.2020)






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