10.11.2017 - Polizei

„Polizeieinsätze dürfen keine rechtsfreien Räume sein!“


Nachdem der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte gestern zwei Fans vom TSV 1860 München recht gab, die im Jahr 2007 von Polizisten angegriffen wurden (Faszination Fankurve berichtete), meldet sich nun die bundesweite Fanorganisation ProFans zum Thema zu Wort.

ProFans fordert als Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass auch in Deutschland bundesweit eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte eingeführt wird und Ermittlungen bei Polizeigewalt in Zukunft unabhängig geführt werden. Denn der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte kritisierte genau dies in der Bundesrepublik Deutschland. (Faszination Fankurve, 10.11.2017)

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung von ProFans:

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR):
Menschenrechte von Fußballfans in Deutschland verletzt

Zwei Fußballfans hatten im Jahr 2007 nach einem Einsatz der Münchner Polizei Anzeige gegen unbekannte Einsatzkräfte erstattet, die sie mit Schlagstöcken und Pfefferspray angegriffen hatten. Obwohl festgestellt wurde, dass die Vorwürfe zutrafen, wurde das Ermittlungsverfahren schließlich eingestellt, weil die betreffenden Personen nicht identifiziert werden konnten. Die beiden Fußballfans wandten sich daraufhin an den EGMR, weil die Münchner Polizei nur unzureichend gegen ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen ermittelt hatte. Das Verfahren wurde unter anderem vom Fanrechtefonds finanziell unterstützt.

Nunmehr stellte der Gerichtshof fest, dass die Rechte der Klagenden verletzt wurden. Die Gründe gehen jedoch weit über den Einzelfall hinaus. Konkret bemängelt die Jury, dass die maskierten Täterinnen oder Täter unter den Polizeieinsatzkräften nicht identifizierbar waren, weil eine individuelle Kennzeichnung fehlte. Dies führe faktisch zu einer Straflosigkeit bei Rechtsverletzungen durch die Polizei. Bei den Ermittlungen war versäumt worden, die eingesetzten Kräfte zu vernehmen; Videomaterial war abhanden gekommen – für den Gerichtshof Beleg für die fehlende Unabhängigkeit der Ermittlungen, denn für das Material war diejenige Einheit verantwortlich, gegen die sich die Vorwürfe richteten.

„Auch heute, zehn Jahre nach jenem Einsatz, bestehen genau diese Mängel bei der deutschen Polizei weitgehend weiter“, kritisiert ProFans-Sprecherin Gloria Holborn und schlussfolgert: „Der Staat ist nun gefordert, die Unabhängigkeit und Effizienz bei Ermittlungen gegen Polizeibedienstete sicherzustellen sowie die Identifizierbarkeit zu gewährleisten.“ Pressesprecher Sig Zelt ergänzt: „Bürgerrechts- wie auch Fanorganisationen fordern dies schon seit Langem. Es ist zu hoffen, dass die Bundesrepublik Deutschland und die Länder nun endlich die überfälligen Konsequenzen ziehen, um die Menschenrechte hierzulande zu wahren. Polizeieinsätze dürfen keine rechtsfreien Räume sein!“ Den beiden betroffenen Fans wurde neben der Erstattung ihrer Auslagen ein Schmerzensgeld zugesprochen.
ProFans, im November 2017






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