10.06.2021 - Fans

Populistische Forderung nach personalisierten Tickets


Vom 16. bis 18. Juni 2021 steht die nächste Innenministerkonferenz an. Auch im Vorfeld der Konferenz in Rust bringt ein Innenpolitiker erneut die Einführung von personalisierten Tickets im Fußball in die Diskussion ein. Dieses Mal ist es Sachsens Innenminister Roland Wöller. Ein Kommentar:

Im Podcast „Politik in Sachsen“ der Sächsischen Zeitung forderte der CDU-Politiker die Einführung von personalisierten Tickets in Fußballstadien. Als Begründung für diesen erneuten Vorstoß dienen dem Innenpolitiker ausgerechnet Vorfälle, die gar nicht im Stadion passiert sind. Die Auseinandersetzungen am 16. Mai 2021 zwischen Dynamo Dresden-Fans und der Polizei fanden im Umfeld des Rudolf-Harbig-Stadions statt, in dem zu diesem Zeitpunkt ein Geisterspiel ausgetragen wurde. Eigentlich dienen die Vorfälle von Dresden eher als Beispiel dafür, warum die Fans ins Stadion gelassen werden sollten, wo ähnliche Vorfälle in den letzten zehn Jahren nicht gab.

Wöller beschreibt personalisierte Tickets im Podcast als ein „wichtiges Zeichen“, mit dem gewisse Leute vom Stadionbesuch ausgeschlossen werden sollen. Dem Innenpolitiker geht es dabei explizit um Personen, die verurteilt wurden, die straffällig oder gewalttätig geworden sind. Sachsen Innenminister verschweigt dabei komplett, dass sowohl die Vereine, aber auch die Behörden längst Mittel haben, um Fußballfans sogar ohne rechtskräftige Verurteilung den Stadionbesuch zu verbieten. Den Clubs und Verbänden steht das Präventivmittel des Stadionsverbotes zur Verfügung und die Polizei greift in aller Regelmäßigkeit auf sogenannte Bereichbetretungsverbote zurück. Betroffene Fans dürfen sich dann nicht Mal dem Stadionumfeld sowie weiteren Orten einer Stadt, zum Beispiel dem Hauptbahnhof, nähern. Selbst Meldeauflagen während Fußballspielen können Behörden verhängen.

Aktive Fans kritisieren schon seit Jahren, dass sowohl von Stadionverboten, als auch von Bereichbetretungsverbotenen zahlreiche Fans betroffen sind, die noch nie rechtskräftig verurteilt wurden. Einfache Personalienfeststellungen können bereits ausreichen, um auf lange Zeit kein Stadion in Deutschland mehr betreten zu dürfen. Dies ist das eigentliche Problem in einem Rechtsstaat. Innenminister Roland Wöller will gezielt Personen bestrafen, die Gewalt ausgeübt haben. Die Mittel dafür sind jedoch längst vorhanden. Zuständig dafür sind die Gerichte.

Ungeachtet dessen, dass viele Vereine bei einem im Vorverkauf bereits ausverkauften Heimspiel sowieso schon längst wissen, an wen sie die Tickets verkauft haben, fordert ein Landesinnenminister nun erneut die Einführung von personalisierten Tickets, ohne konkret den Nutzen dieser bürokratischen Methode zu benennen. Dynamo Dresden als Beispiel weiß ziemlich genau, welche Vereinsmitglieder und Fans die jeweilige Eintrittskarten bei Heim- und Auswärtsspielen gekauft haben. Soll der Ordnungsdienst nun an jedem Spieltag 30.000 Eintrittskarten und Personalausweise abgleichen, nur um am Ende zu Wissen, welche 30.000 Fans tatsächlich bei einem Dynamo-Heimspiel im Rudolf-Harbig-Stadion waren? Wöller gibt vor, dass ihm gezielte Angriffe auf Polizeibeamte große Sorgen bereiten und er deswegen für die Einführung von personalisierten Tickets sei. Unabhängig davon, dass solche Vorfälle aus dem Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion nicht bekannt sind, würden personalisierte Tickets auch im Falle von Ausschreitungen innerhalb des Stadion bei der Aufklärung von Straftaten nicht wirklich weiterhelfen. Bei der Suche nach einem Tatverdächtigen wurde man nach Einführung von personalisierten Eintrittskarten immer noch eine Person von 30.000 suchen. Dabei noch vorausgesetzt, dass alle 30.000 Personalien innerhalb von zwei Stunden vor Spielbeginn tatsächlich auch effektiv kontrolliert wurden.


Die Corona-Pandemie und die in dieser Zeit geführte Debatte um Digitalisierung nutzt Wöller als Aufhänger, um zu begründen, warum personalisierte Eintrittskarten im Fußball nun endlich eingeführt werden können. Dabei scheiterten die immer gleichen Vorstöße von Innenpolitikern bisher sicherlich nicht an den fehlenden digitalen Möglichkeiten. Vielmehr ist der Nutzen dieser Maßnahme, die einen enormen Kontrollaufwand bedeuten würde, einfach nicht gegeben. Der neuerliche Vorstoß von Wöller bringt dabei keinerlei neue Aspekte in die Debatte ein.

Aktive Fußballfans befürchteten schon zu Beginn der Corona-Pandemie, dass die Situation von Verbänden und Politik ausgenutzt werden könnte, um Fußballfans mit weiteren populistischen Einschränkungen zu belasten. Wöller zeigt mit seinem Beitrag eindrucksvoll, dass diese Angst nicht unbegründet war. (Faszination Fankurve, 10.06.2021)






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