02.03.2020 - Fans

Weitere Stellungnahmen zur aktuellen Debatte


Die beleidigenden Plakate gegen TSG Hoffenheim-Mäzen Hopp sind immer noch ein vieldiskutiertes Thema. Mit Red Fanatic München hat eine weitere Gruppe des FC Bayern, die in Sinsheim ein beleidigendes Plakat zeigte, Stellung genommen. Auch Union Berlin-Ultras, Fanprojekte und die Fanorganisation Unsere Kurve gaben Statements ab.

Die Gruppe Red Fanatic München zeigte am Samstag in der Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim ein Spruchband mit einer Beleidigung und den Initialen von Dietmar Hopp (Faszination Fankurve berichtete). Gestern nahm die Gruppe zum eigenen Spruchband Stellung und erklärte: „Bei der Wortwahl handelte es sich nicht um unseren üblichen Stil, sondern um einen eindeutigen Bezug zu dem sanktionierten Spruchband der Dortmunder. Was sich aber bereits während des Spiels als unmittelbare Reaktion zugetragen hat, mündete in einer absurden Handlungskette von realitätsferner und undifferenzierter Einordnung bis zu möglichen scheinheiligen Konsequenzen. Die fragwürdigen Ereignisse der letzten Tage – mit der drastischen Kollektivstrafe für die folgenden beiden Partien gegen die Dortmunder Fans in Sinsheim – verdeutlichen weiter vor allem die Ambivalenz des Deutschen Fußball-Bundes.“


Kritische Worte von Red Fanatic München kommen auch in Richtung des FC Bayern, weil dieser sein Wintertrainingslager seit Jahren in Katar abhält. Zudem kritisiert auch diese Gruppe, dass die Aktionen gegen Dietmar Hopp in einen Zusammenhang mit rassistischen Taten, wie in Hanau gesetzt wurden: „Eine bloße Beleidigung, aktuell häufiger als 'Schmähung' bezeichnet, in Form von Spruchbändern oder Gesängen mit rassistisch motivierten Taten zu vergleichen, ist schlichtweg schwachsinnig. In fehlender Gradlinigkeit üben sich zudem auch Medien, Verantwortliche und Spieler. Aufgebrachte Kommentare und Appelle zu mehr Toleranz über soziale Medien oder durch Stellungnahmen lassen jegliche Selbstreflexion vermissen. Fehlende klare Bekenntnisse oder aktives Engagement gegen Antisemitismus, Homophobie und Rassismus stehen demgegenüber aber allzu selten auf der Agenda. Statt leerer Worte sollten auch Taten folgen. Eine Absetzung des jährlichen Trainingslagers in einem homophoben und menschenverachtenden Land wie Katar wäre ohne Frage ein Anfang des FC Bayern. Dementsprechend freuen wir uns in Zukunft auf eure regen Anteilnahmen und Statements als Reaktion etwa auf rassistische Worte und Taten und eben nicht nur bei der Beleidigung einer milliardenschweren Einzelperson. Weltoffenheit und Ehrlichkeit kann nicht nur einseitig gefordert, sondern muss auch gelebt werden! Wir können nur hoffen, dass die bedeutenden und wichtigen Fehlstände in unserem Fußball endlich erkannt werden!“ Hier geht es zum gesamten Statement von Red Fanatic München.


Das Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem VfL Wolfsburg wurde gestern ebenfalls unterbrochen, weil auf der Waldseite ein Doppelhalter mit Hopp im Fadenkreuz sowie eine beleidigendes Spruchband zu sehen war. Das Fadenkreuz-Motiv war der Gleiche, das in der Vorwoche in der Mönchengladbacher Nordkurve zu sehen war. Zwischen den Sottocultura Ultras aus Gladbach und den HammerHearts aus Berlin besteht eine Fanfreundschaft. Auch im Stadion an der Alten Försterei wurde mit einem Spielabbruch gedroht, falls es zu einem weiteren Vorfall kommen würde. Die Ultragruppe HammerHearts, die für die beleidigende Aktion verantwortlich war, hatte bereits eine Stellungnahme vorbereitet und darin gestern erklärt: „Auch wir betrachten mit Sorge eine Entwicklung rund um den Fußball, die die 50+1-Regel, freie Meinungsäußerung, Mitbestimmung und andere Fanrechte nach und nach aufweicht. Darüber hinaus scheint jedoch der Einfluss gängiger Mäzen wie Dietmar Hopp und Dietrich Mateschitz groß genug zu sein, um den Fußball auch weit über den Sport hinaus bis in die Fanszenen zu beeinflussen und das notfalls auch per angeblich unabhängiger Sportgerichtsbarkeit des DFB. Kollektivstrafen schützen eine Einzelperson zuungunsten tausender Unbeteiligter und ihrem Verein. Anstatt daraufhin jedoch die Verhältnismäßigkeit in Frage zu stellen oder gar die Entwicklungen im deutschen Profifußball, stürzt sich die Allgemeinheit wohl lieber auf die letzte Bastion eines einstigen Volkssports, nämlich die organisierte Fanszene. Weil sie laut, frech und oft provokativ auf Missstände aufmerksam macht. Der Doppelhalter, der vor wenigen Minuten auf der Waldseite zu sehen war, ist keine Morddrohung. Er ist aber ganz klar provokant und kritisiert eine Person und eine stetige Entwicklung. Heute steht er jedoch vor allem entgegen schleichender Zensur und für die Ausdrucksfreiheit in den Kurven.“


Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) warnt hingegen vor einer Sackgasse und rät zu konstruktiven Gesprächen. „Nun aber ganze Fangruppen aufgrund von Beleidigungshandlungen Einzelner pauschal zu verurteilen, auszuschließen und zum Sündenbock für jegliche Diskriminierung im Stadion machen zu wollen ist nicht nachvollziehbar, verhältnismäßig und schon gar nicht fair“, sagt Sophia Gerschel, Sprecherin der BAG der Fanprojekte. „Das so oft zitierte 3-Stufen-Modell ist kommuniziert und bekannt und bei kaum einem Vorfall von Rassismus, Sexismus oder ähnlichem bisher so konsequent und klar, wie am vergangenen Samstag in Hoffenheim, angewendet worden.“

Die bundesweite Fanorganisation Unsere Kurve erklärt in ihrer Stellungnahme: „Persönliche Beleidigungen – unabhängig davon, als wie plump oder unangemessen sie erlebt werden – sind in keinster Weise mit Rassismus und Diskriminierung gleichzusetzen, die strukturell in unserer Gesellschaft verankert sind. Hier werden Menschen eben nicht individuell abgewertet, sondern aufgrund eines zugeschrieben Merkmals einer 'Gruppe' zugeordnet, womit Ausgrenzung, Abwertung und körperliche Gewalt legitimiert werden sollen. Der Vergleich mit einer persönlichen Beleidigung relativiert und bagatellisiert die Bedeutung von Rassismus und Diskriminierung. Dies können und wollen wir nicht hinnehmen. Zurück zu Dietmar Hopp: Dietmar Hopp ist als deutscher, reicher und weißer Mann keineswegs von Rassismus und Diskriminierung betroffen. Dietmar Hopp steht seit seinem Entschluss, sein Geld in einen Fußballverein zu investieren, in der Kritik: Weil er damit einem Dorfverein einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschafft hat, weil Hoffenheim sonst niemals in die Bundesliga hätte aufsteigen können, weil aus Sicht vieler Fans damit das erste Mal die 50+1-Regel ausgehöhlt wurde. Möglich war das, weil er nicht als Investor, sondern als Mäzen agiert hat. Dies als rein gemeinnütziges und uneigennütziges gesellschaftliches Engagement zu beschreiben, halten wir für verkürzt. Die entsprechende Kritik wurde von aktiven Fanszenen und bundesweiten Fanvertretungen regelmäßig in öffentlichen Statements gebetsmühlenartig geäußert.“ Weiter fordert Unsere Kurve den DFB auf, für die nächste Woche zu einer außerplanmäßigen Sitzung der AG Fankulturen einzuladen, damit über das aktuelle Thema ein Dialog in Gang gebracht werden kann.

Die Hypers aus Düsseldorf lehnen die beleidigende Wortwahl der gegen Hopp gerichteten Plakate hingegen ab und erklärten dazu: „Wer inhaltliche Kritik durch sexistische Beleidigungen ersetzt, findet zurecht kein Gehör - würden wir üblicherweise sagen. Und vermutlich würden uns Vereine, Verbände und Medien da sofort zustimmen. Umso perfider mutet es an, dass gerade die genannten Akteure das Gegenteil beweisen. Denn über Jahre hat es fundierte, tiefgehende und sachliche Kritik gegeben. Dazu, wie der Fussball sein sollte, an der Kommerzialisierung und Mäzenentum im Allgemeinen und Hoffenheim im Speziellen. Längst nicht alle Kritik war gut und richtig, oft geht damit viel Unsinn einher. Gehör fanden aber oft nur die Beleidigungen. Darauf muss schließlich nicht groß eingegangen werden, sondern die können einfach verurteilt werden. Und im Verurteilen sind sie alle groß. Rassismus, Sexismus, Gewalt, Hass, all das wird nur zu gerne verurteilt. Doch am Ende steht Torunarigha alleine unter der Dusche. Sind Sexistische Gesänge, Transpis und konkrete Übergriffe Teil des Fußballalltags. Am Ende ist mit Gewalt wieder Pyrotechnik gemeint. Und jetzt soll der Hass, der Hopp entgegenschlägt, derselbe sein, wie der, der in Hanau zehn Menschen das Leben genommen hat? Das ist an Widerwärtigkeit kaum zu überbieten. Wer zu Affenlauten schweigt, soll von Hanau nicht sprechen!“

Der Vorstand des FC Schalke 04, der morgen gegen den FC Bayern und am Samstag gegen die TSG Hoffenheim spielt, hat erklärt, dass die Schalke-Spieler den Platz sofort verlassen werden, falls in der Arena auf Schalke beleidigende Plakate gezeigt würden: „Sollten am kommenden Dienstag (3.3.) im Pokalspiel gegen den FC Bayern München, beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim (7.3.) oder auch bei zukünftigen Spielen derartige Vorkommnisse in der VELTINS-Arena sichtbar werden, wird unsere Mannschaft den Platz verlassen – ungeachtet der Spieldauer, des Resultats oder etwaiger Konsequenzen. Unabhängig davon führen wir wie bisher Gespräche mit allen Fangruppierungen mit dem klaren Ziel und der Erwartung, dass sie solches Fehlverhalten nicht tolerieren, geschweige denn unterstützen. Die Werte unseres Vereins und des Leitbilds, das wir uns selbst gegeben haben, lassen keinerlei Spielraum für Toleranz angesichts von Hass, Intoleranz und Diffamierung“, so die Stellungnahme des FC Schalke 04. (Faszination Fankurve, 02.03.2020)






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